Absturzstelle Airbus A 380
Martin Kaltwasser 2004
Environment - Zwei Modelle und 8 Erläuterungstafeln
Beitrag zur Ausstellung "Tourist City", Bremen 2004, ausgestellt im Bremer Zentrum für Baukultur
Absturzstelle Airbus A 380
Martin Kaltwasser 2004
Environment - Zwei Modelle und 8 Erläuterungstafeln
Beitrag zur Ausstellung "Tourist City", Bremen 2004, ausgestellt im Bremer Zentrum für Baukultur
Das fiktive Ereignis
Bremen ist einer der exklusiven Standorte, an denen wichtige Bauteile für den Super-Airbus A380 fabriziert werden. Die hier hergestellten Flügelschalen werden per Schiff und Lastwagen nach Toulouse gebracht, dort zu Flügeln montiert – und seit mehreren Jahren werden mit ihnen äußerst erfolgreich Tausende von Touristen an asiatische Billigstrände, zu Kulturhauptstädten und zum Karneval in Rio gebracht.
Das Schicksal Bremens will es so, dass hier leider auch der erste Unfall mit diesen „fliegenden Betonklötzen“ (Volksmund) passierte: Am 5. Juni 2005 stürzte der Prototyp einer Frachtflugmaschine des Typs Airbus A 380 über unbewohntem Gebiet am Weserufer ab. Die Piloten konnten sich mit den Schleudersitzen retten. So kam niemand zu Schaden. Zum Gedenken an diesen ersten Absturz des weltweit gefeierten Airbus A 380, welcher der Menschheit noch so viel Gutes zukommen lassen wird, zur Mahnung aller und zum Dank dafür, dass bei diesem Unglück niemand zu Schaden kam, wird ein originales Trümmerteil dieses abgestürzten Airbus A 380 dort, wo er auf dem Erdboden zerschellte, liegen bleiben und den Mittelpunkt eines Gedenkortes bilden.
Dort, am ground zero von Bremen schließt sich ein Kreis. Denn hier bohrte sich in die Uferböschung der Weser ein Gegenstand, der in Bremen hergestellt wurde, der aus Bremen stammt: Eine echte Flügelschale des weltweit ersten abgestürzten Airbus A 380.
Als „Die Stadt, in der der erste Riesenairbus abstürzte“ wird Bremen in die Geschichte eingehen. Die nun fertiggestellte Absturzstellen-Gedenkstätte mit der Bremer Originalflügelschale wird mitsamt dem demnächst hinzukommenden Sciencepark eine enorme Bedeutung für den regionalen Tourismus darstellen.“
(dpa-Meldung 2.3.2010)
Erläuterung
Das fiktive Szenario eines modellhaft nachgebauten „Originalschauplatzes“, mit „Originalwrackteil“-Miniaturen des - in Zukunft, vielleicht im Jahre 2005 -ausgerechnet über Bremen ersten abgestürzten Airbus A 380, Frachtversion nahe des Zentrums der potentiellen Kulturhauptstadt ist mein Kommentar zum Wettkampf von Städten, Regionen, Ländern, etc. um die wenigen Pole-Positions als lukrative „Standorte“.
Für Bremen wäre die „Absturzstelle Airbus A 380“ ein Geschenk. Das in der Innenstadt präsentierte Modell allein zeigt schon, wie sich aus dieser Katastrophe Kapital schlagen ließe, durchaus im kritischen Sinne: So kann das Modell der Dreh-und Angelpunkt eines Informations- und Aufklärungszentrums zu den zivilen Katastrophen unseres hochtechnisierten Lebens werden, um das herum Sicherheits- Forschungszentren, ein Tagungshaus und Kongresse zu kritischer Wissenschaft und entstehen.
Man wäre im Zuge der Investitionen für die „Kulturhauptstadt 2010“ nicht darauf angewiesen, sich von Stararchitekten spektakuläre Bauten errichten zu lassen, um Bremen als positiv besetzte Marke zu etablieren, wenn ein herausragendes singuläres Ereignis den Ruf Bremens als Zentrum einer weltweit einmaligen umsichtigen Sicherheitsforschungsstätte begründet.
Die unspektakuläre, quälende und schleichend lähmende Tatsache der hohen Arbeitslosigkeit, und der schlechten wirtschaftlichen Prognosen kann durch ein zwar zunächst tragisches Ereignis überdeckt werden, das aber in der Folgezeit einen „positiven Ruck“ gibt, „Signale setzt“, den Mut, die Entschlossenheit und die Kraft der Bevölkerung zeigt, daraus zu lernen und damit positiv umzugehen, „sich der Aufgabe zu stellen“.
Während andere „Kulturhauptstädte“ mühselig um eine mehr oder weniger schlüssige Legitimation ringen, sich derart medial zu inszenieren, wie es sich mittlerweile gehört (Graz 0003: „Erfüllung einer großen Erwartung“, „Graz darf alles“), kann Bremen auf das Echte verweisen: Einerseits Produktionsort von Teilen des Airbus A 380 ist die „Marke Bremen“ andererseits auch mit den Schattenseiten dieses „Vorsprung durch Technik“ besetzt.. Die offensive Bewältigung dieses tragischen Ereignisses durch das Nicht-Verdecken, das Sichtbarlassen dieser Komplexität im Rahmen der Gedenkstätte „Absturzstelle Airbus A 380“- bringt Bremen und „den Bremern“ Anerkennung. Genauso, wie „den New Yorkern“ im Umgang mit „Ground Zero“.
Man fährt also zukünftig nicht nur nach Bremen, weil einen dort die in jeder beliebigen „Kulturhauptstadt“ gängige, künstlich aufgeblasene Scheinwelt mit „erweiterten Kunst- und Kulturbegriffen“ erwartet, sondern, weil Bremen „echt“ ist und sich somit, hervorgerufen durch ein singuläres Ereignis, auf kluge und innovative Weise eine eigene Position im Standortwettkampf errungen hat.
Martin Kaltwasser 2004
Environment - Zwei Modelle und 8 Erläuterungstafeln
Beitrag zur Ausstellung "Tourist City", Bremen 2004, ausgestellt im Bremer Zentrum für Baukultur
Das fiktive Ereignis
Bremen ist einer der exklusiven Standorte, an denen wichtige Bauteile für den Super-Airbus A380 fabriziert werden. Die hier hergestellten Flügelschalen werden per Schiff und Lastwagen nach Toulouse gebracht, dort zu Flügeln montiert – und seit mehreren Jahren werden mit ihnen äußerst erfolgreich Tausende von Touristen an asiatische Billigstrände, zu Kulturhauptstädten und zum Karneval in Rio gebracht.
Das Schicksal Bremens will es so, dass hier leider auch der erste Unfall mit diesen „fliegenden Betonklötzen“ (Volksmund) passierte: Am 5. Juni 2005 stürzte der Prototyp einer Frachtflugmaschine des Typs Airbus A 380 über unbewohntem Gebiet am Weserufer ab. Die Piloten konnten sich mit den Schleudersitzen retten. So kam niemand zu Schaden. Zum Gedenken an diesen ersten Absturz des weltweit gefeierten Airbus A 380, welcher der Menschheit noch so viel Gutes zukommen lassen wird, zur Mahnung aller und zum Dank dafür, dass bei diesem Unglück niemand zu Schaden kam, wird ein originales Trümmerteil dieses abgestürzten Airbus A 380 dort, wo er auf dem Erdboden zerschellte, liegen bleiben und den Mittelpunkt eines Gedenkortes bilden.
Dort, am ground zero von Bremen schließt sich ein Kreis. Denn hier bohrte sich in die Uferböschung der Weser ein Gegenstand, der in Bremen hergestellt wurde, der aus Bremen stammt: Eine echte Flügelschale des weltweit ersten abgestürzten Airbus A 380.
Als „Die Stadt, in der der erste Riesenairbus abstürzte“ wird Bremen in die Geschichte eingehen. Die nun fertiggestellte Absturzstellen-Gedenkstätte mit der Bremer Originalflügelschale wird mitsamt dem demnächst hinzukommenden Sciencepark eine enorme Bedeutung für den regionalen Tourismus darstellen.“
(dpa-Meldung 2.3.2010)
Erläuterung
Das fiktive Szenario eines modellhaft nachgebauten „Originalschauplatzes“, mit „Originalwrackteil“-Miniaturen des - in Zukunft, vielleicht im Jahre 2005 -ausgerechnet über Bremen ersten abgestürzten Airbus A 380, Frachtversion nahe des Zentrums der potentiellen Kulturhauptstadt ist mein Kommentar zum Wettkampf von Städten, Regionen, Ländern, etc. um die wenigen Pole-Positions als lukrative „Standorte“.
Für Bremen wäre die „Absturzstelle Airbus A 380“ ein Geschenk. Das in der Innenstadt präsentierte Modell allein zeigt schon, wie sich aus dieser Katastrophe Kapital schlagen ließe, durchaus im kritischen Sinne: So kann das Modell der Dreh-und Angelpunkt eines Informations- und Aufklärungszentrums zu den zivilen Katastrophen unseres hochtechnisierten Lebens werden, um das herum Sicherheits- Forschungszentren, ein Tagungshaus und Kongresse zu kritischer Wissenschaft und entstehen.
Man wäre im Zuge der Investitionen für die „Kulturhauptstadt 2010“ nicht darauf angewiesen, sich von Stararchitekten spektakuläre Bauten errichten zu lassen, um Bremen als positiv besetzte Marke zu etablieren, wenn ein herausragendes singuläres Ereignis den Ruf Bremens als Zentrum einer weltweit einmaligen umsichtigen Sicherheitsforschungsstätte begründet.
Die unspektakuläre, quälende und schleichend lähmende Tatsache der hohen Arbeitslosigkeit, und der schlechten wirtschaftlichen Prognosen kann durch ein zwar zunächst tragisches Ereignis überdeckt werden, das aber in der Folgezeit einen „positiven Ruck“ gibt, „Signale setzt“, den Mut, die Entschlossenheit und die Kraft der Bevölkerung zeigt, daraus zu lernen und damit positiv umzugehen, „sich der Aufgabe zu stellen“.
Während andere „Kulturhauptstädte“ mühselig um eine mehr oder weniger schlüssige Legitimation ringen, sich derart medial zu inszenieren, wie es sich mittlerweile gehört (Graz 0003: „Erfüllung einer großen Erwartung“, „Graz darf alles“), kann Bremen auf das Echte verweisen: Einerseits Produktionsort von Teilen des Airbus A 380 ist die „Marke Bremen“ andererseits auch mit den Schattenseiten dieses „Vorsprung durch Technik“ besetzt.. Die offensive Bewältigung dieses tragischen Ereignisses durch das Nicht-Verdecken, das Sichtbarlassen dieser Komplexität im Rahmen der Gedenkstätte „Absturzstelle Airbus A 380“- bringt Bremen und „den Bremern“ Anerkennung. Genauso, wie „den New Yorkern“ im Umgang mit „Ground Zero“.
Man fährt also zukünftig nicht nur nach Bremen, weil einen dort die in jeder beliebigen „Kulturhauptstadt“ gängige, künstlich aufgeblasene Scheinwelt mit „erweiterten Kunst- und Kulturbegriffen“ erwartet, sondern, weil Bremen „echt“ ist und sich somit, hervorgerufen durch ein singuläres Ereignis, auf kluge und innovative Weise eine eigene Position im Standortwettkampf errungen hat.